Facettenreiches Harfenkonzert: Auch Schraubenzieher kommt zum Einsatz

Werne. Ihr Instrument wiegt fast 50 Kilo und ist größer als sie. Trotzdem beherrschte Caroline Nobst die Harfe mit schlanken Fingern und Leichtigkeit, entlockte ihr perlende Melodiebögen und hauchzarte Tonleitern. Und bot damit zu Beginn des Kammerkonzerts der Musikfreunde Werne am Donnerstagabend (17. November) ein altvertrautes Klang-Bild.

Doch das Saiteninstrument kann auch Ecken und Kanten zeigen, wie Nobst im erneut voll besetzten Foyer der Marga-Spiegel-Sekundarstufe zur Begeisterung des Publikums bewies.

„Ich habe es mir heute Abend zur Aufgabe gemacht, das Klischee von der Harfe zu brechen, die mehr zu bieten hat als die schöne Romantik, mit der ich gestartet bin“, sagte die Künstlerin. Interessiert lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer ihrem Spiel ebenso wie ihrer Moderation. Beides zielte erfolgreich darauf ab, die Harfe als facettenreiches Instrument besser kennenzulernen. Zu diesem Zweck hatte Caroline Nobst ihr Programm konsequent als chronologische Reise durch die Musikgeschichte aufgebaut.

Ihr Arrangement von Bachs Präludium es-moll aus dem „Wohltemperierten Klavier“ mutete mit seinen fein abgesetzten Tönen wie die scharfkantige Intonation eines Cembalos an. Mit weichen Übergängen in Dynamik und Tempi arbeitete sie das elegante Schreitmotiv von Händels Harfenstück „Tema con Variazioni“ aus. Wie impressionistische Gemälde wirkten die Tonmalereien der „Images Suite No. 1“ von Marcel Tournier. Schönläufige Linien, geschwungen wie wellenförmige Pinselstriche, wechselten mit flirrenden Tupfern – als bräche sich das Licht eines Mondstrahls in bewegtem Wasser. So lautete auch der Titel dieses Satzes: „Mondlicht auf dem Teich im Park“. „An der Schwelle des Tempels“ malte Nobst die festen Grundmauern in dumpfen Akkorden, von denen aus sie leichte Töne emporsteigen ließ.

Fingerakrobatik vollführte sie bei einer Etüde von Eric Schmidt – mit Sprüngen vom einem Ende der Harfe zum anderen und Griffen, die die gesamte Spannbreite ihrer Hand erforderten. Bei der „Sonate für Harfe“ von Paul Hindemith nahm Nobst sich wiederum Zeit, die oft sehr langsamen Passagen voll auszukosten. Das kontrastierte sie mit lebhaften Tonhüpfern und lyrischen Momentaufnahmen. Völlig neue Effekte brachten die „Sequenzen über Johannes“ von Heinz Holliger ins Spiel. Dabei kam unter anderem ein vom Hausmeister ausgeliehener Schraubenzieher zum Einsatz. Den zog Nobst über die Saiten und überraschte mit dem klagenden Ton einer Singenden Säge.

Nach der rhythmischen Prägnanz eines der „Rumänischen Volkstänze“ von Béla Bartók bewegte sich Nobst zum Schluss in Richtung Jazz. Der zeitgenössische Komponist Bernard Andrès schrieb seinen „Duke“ der Harfe wahrhaft auf den Leib. Denn dabei werden die sieben Pedale des Instruments, die die Halbtonschritte erzeugen, so eingesetzt, dass eine Art rutschiger chromatischer Tonleiter erklingt. Dieses Glissando wird gern von Jazzmusikern eingesetzt. Den Resonanzboden der Harfe nutzte Nobst außerdem als Perkussionsinstrument, während sie die Saiten lässigen Handbewegungen wie eine Gitarre schlug. Die stürmisch herausgeklatschte Zugabe setzte dem Facettenreichtum der Harfe das i‑Tüpfelchen auf: Caroline Nobst nutzte sie als Begleitinstrument zu ihrer Solo-Interpretation des Songs „September“ der Soul-Band „Earth, Wind & Fire“.

INFO

Das nächste Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde findet am 19. Januar 2023 ab 20 Uhr im Foyer der Marga-Spiegel-Schule statt. Die Südkoreanerin A Jin Sohn spielt Werke von Schumann, Beethoven und Chopin am Klavier. Eintrittspreis: 20 Euro, Vorverkauf bei Bücher Beckmann in Werne.

von Anke Schwarze. Erschienen bei WERNEPLUS, 18.11.2022

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