Musik wie aus dem Leben gegriffen

James Maddox und Carmen Dressler brachten Emotionen beim Konzert der Musikfreunde Werne zum Klingen. Foto: Schwarze

Werne. Musik, die unter die Haut ging – die hörte das Publikum beim Konzert der Musikfreunde am Donnerstag (16. November). Im ausverkauften Foyer der Marga-Spiegel-Schule brachte Carmen Dressler ihr Cello zum Sprechen. Der Pianist James Maddox bereicherte ihre Interpretationen mit seiner eigenen temperamentvoll-prägnanten Note.

Drei charakterlich sehr verschiedene Cellosonaten und Fantasiestücke von Robert Schumann standen auf dem Programm. Das Duo ergründete emotionale Tiefen, leuchtete Erzähl- und Dialogstrukturen aus. So führte es das Andante von Beethovens Cellosonate in C-Dur (Op. 102,1) wie einen Meinungsaustausch. Das Klavier perlte betörend und setzte unvermittelt mit nachdrücklichen Akkorden ein Ausrufungszeichen. Das Cello hielt mit klar ausformuliertem Staccato dagegen.

Ein pikantes Frage-und-Antwort-Spiel mündete in einem heftigen Aufbegehren. Das Allegro steuerte zunächst in ruhigere Gewässer, entfaltete sich schwelgerisch. Der lebhafte Teil gelang virtuos. Mit rasiermesserscharfer Präzision ließen Dressler und Maddox ihre Instrumente umeinander wirbeln. Nach einem Moment der Besinnung stürmten sie aufs Finale zu.

Die „Drei Fantasiestücke für Violoncello und Klavier“ (Op. 73) von Schumann lagen Carmen Dressler besonders am Herzen. „Sie sind aus dem Leben gegriffen“, erklärte sie. Der erste Satz erinnere sie an einen erzählenden Großvater, der zweite an spielende Kinder, der dritte lebe von impulsiver Leidenschaft. Diese Bilder ließ die Cellistin spüren. Nachdenklich, als müsse jemand seine Worte abwägen, klang eine wohl modulierte Erzählstimme durch. Gleichzeitig fühlte man eine unterschwellige Erregung. Ganz anders der zweite Satz: Leichtfüßig gleitet und springt die Passagen davon, jagen und necken sich. Der dritte Satz entfesselt die versprochene Leidenschaft, selbst den langsamen Momenten wohnt etwas Drängendes, Forderndes inne. Das Duo arbeitete die Besonderheiten jedes Satzes differenziert und nachvollziehbar aus – auch, weil beide Partner aufeinander hörten, sich zuhörten und wussten, wann eine Pause Teil der Musik sein muss.

So erklang auch Debussys Cellosonate in d-Moll. Vor allem im zweiten Satz erinnerte sie an die mysteriöse Düsternis eines Film noir. Harte Anschläge auf dem Flügel begegneten kantig angerissenen Cellosaiten, lautmalende Tonfolgen ließen an verstohlenes Herumschleichen denken. Spannungsgeladen war die Dynamik, mit der das Duo auf das Finale zusteuerte.

Brahms Cellosonate in F-Dur (Op. 99) bildete den Abschluss und Höhepunkt des Programms – und das nicht nur formal. In den vier Sätzen verdichteten Dressler und Maddox noch einmal alles, was sie bis dahin an Ausdrucksstärke geboten hatten. Die Musik schillerte zwischen träumerischem Empfinden und symphonischer Klangfülle. Die Cellistin kostete lyrischen Passagen aus, der Pianist forcierte mit pulsierender Energie. Dann übernahm sie mit nachdrücklichem Pizzicato und aufwühlenden, rauen Läufen. Wie eine harsche Klage schwebte das Cello über Klangmassen, die Maddox auftürmte.

Die Zuhörer brauchten nach dem aufwühlenden Stück einen Moment der Besinnung, bevor sie stürmisch und anhaltend applaudierten. Als Zugabe spielten Carmen Dressler und James Maddox die „Vocalise“ von Rachmaninow, ursprünglich ein Lied ohne Text. Und sie spielten es mit einer berührend frischen Intensität, die das Stück zu einem neuen, eigenständigen Teil des Programms machte.

von Anke Schwarze, erschienen bei WernePlus am 17.11.2023
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